Stacheldraht, alt
KÄFIGE

 

Vom Elend der Psychologie

 

Psychotechnik ist keine bloße Verfallsform der Psychologie, sondern ihrem Prinzip immanent.

 

Theodor W. Adorno Minima Moralia


Der Hinweis darauf, daß Psychologie zur Unterdrückung von Menschen benutzt werden kann und sehr oft benutzt wird, ist nicht neu. Vielen jedoch erscheint dies als ein Mißbrauch, demgegenüber ein befreiender Gebrauch das Normale wäre, der Psychologie eher entsprechend.

Davon bin ich nicht überzeugt. Ich bin der Meinung, daß eine Anwendung der Psychologie, die der Befreiung von Menschen dient, nur gegen ihren Strich und dabei sehr vorsichtig, erfolgen kann.

Ich will zeigen, daß der unterdrückerische Gebrauch der psychologischen Forschungsweise und Theorie am ehesten entspricht. Unter Psychologie verstehe ich dabei in erster Linie, aber nicht nur, die herrschende behavioristische "Theorie". Ich setze die Anführungszeichen, weil der Behaviorismus die dürftigste Theorie ist, die ich kenne. Darüber können auch alle Versuche nicht hinwegtäuschen, den reinen, ursprünglichen Behaviorismus, dessen peinliche Dürre inzwischen sogar den meisten seiner Verfechter aufgefallen ist, anzureichern oder aufzumöbeln.


 

Käfigsammlung

 

Als ich zum erstenmal ein bekanntes Lehrbuch der Psychologie (von Ruch/Zimbardo) in die Hand nahm, blätterte ich es durch und schaute mir die Bilder an. Hauptsächlich waren Käfige zu sehen, in denen Tauben, Ratten, Hunde, Affen und Menschen Kunststücke machten. Sie sollten für einen Versuchsleiter irgendetwas beweisen, was in meinen Augen meist sehr nebensächlich war. Sie drückten Knöpfe, betätigten Hebel, sprangen, liefen durch Irrgärten, pickten, warfen Münzen ein. Dafür bekamen sie Futter, Geld, ein Lob des Versuchsleiters, die ängstlich erwartete Bestätigung, daß sie doch intelligente Menschen seien, Bonbons oder gar nichts. Letzteres erhielten sie meist dann, wenn sie Psychologiestudenten waren und im Rahmen ihres Studiums an den Versuchen teilnehmen mußten.

 

Sie hatten Elektroden am Kopf, Kopfhörer auf, hingen in Vorrichtungen, in denen sie sich nicht bewegen konnten, sondern bewegt wurden, sie fielen in Wasserbehälter, erhielten elektrische Schläge oder wurden in völliger Dunkelheit gehalten.

 

Mit diesen Prozeduren gelangen den Forschern bahnbrechende Entdeckungen: daß Tauben geometrische Muster unterscheiden können, wenn sie dazu gezwungen werden, zum Beispiel.

 

Psychologie ist die Wissenschaft von der Einrichtung von Käfigen. Dieser Gedanke, zuerst leichtfertig dahingesagt, ließ mich nicht los. Warum sollte ich nicht das Bild des Käfigs, das mir die Bilder dieses Lehrbuchs aufgedrängt hatten, benutzen, um die Psychologie insgesamt zu charakterisieren?

 


 

Versuch und Käfig

 

Die Tiere und Menschen, die von den Psychologen gefangengehalten werden, bringen ihr Opfer dem Heiligsten der Psychologie, dem Hort ihrer Wahrheit, dem Sitz ihrer Erkenntnis: dem Versuch.

 

Mensch und Tier im Käfig sind das Versuchsobjekt in seiner reinsten Form. Nur indem er die lebendigen Versuchsobjekte festsetzt, ihrer Lebendigkeit beraubt, meint der Forscher möglichst viele Bedingungen kontrollieren und die eine setzen zu können, die er untersucht. Reine Ursache und reine Wirkung sollen nicht vom unordentlichen, chaotischen, lebendigen Zusammenhang beschmutzt und verfälscht werden. Die Mannigfaltigkeit der Wirklichkeit wird entsprechend dem beschränkten Vorstellungsvermögen und der mangelnden Phantasie des Forschers zurechtgestutzt.

 

Das psychologische Experiment ist grundsätzlich einseitig. Der Forscher bestimmt und kontrolliert die Situation.Er definiert die Wirklichkeit. Von ihm gehen die Hinweisreize aus, auf die das Objekt nur zu reagieren hat. Eine Rückwirkung des Objekts (manchmal irreführend auch Versuchsperson genannt) auf den Forscher ist nicht vorgesehen. Erfolgt sie trotzdem, in Form von Protest, Einwendungen gegen die Anweisungen oder durch Nichtbeachtung der Anweisungen, scheidet das Objekt aus dem Versuch aus. Die Gründe, die die Versuchsperson zu ihrem Verhalten veranlaßt haben, werden in der Regel nicht untersucht und nicht genannt. Ansonsten aber wird in den Versuchen größter Wert auf Genauigkeit, besonders aber Überprüfbarkeit und Wiederholbarkeit, d.h. Normierung, gelegt.

 

Eine große Ironie liegt in den relativ häufigen Fällen, in denen der Forscher seine Objekte über seine wahren Absichten täuscht. Seine Angst, von den Objekten hinters Licht geführt zu werden, steigt in dem Maße, in dem er sie selbst belügt. Selbstverständlich werden Personen, die die Täuschung durchschauen, aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Ihr Verhalten wird bei der Formulierung der Gesetzmäßigkeit nicht berücksichtigt. Daraus folgt, das das Handeln von Personen, die sich zu Versuchszwecken weder einsperren noch herumkommandieren oder belügen lassen, im Rahmen dieser "Theorie" nicht erforscht werden kann. Welcher Art die Gesetze sein mögen, die für solche merkwürdigen Menschen gelten, werden wir von der herrschenden Psychologie nie erfahren. Wahrscheinlich interessiert sie diese Frage auch nicht. Schließlich geht es um Normierung, Allgemeingültigkeit und nicht um Individualität, Einmaligkeit. Das wichtigste Erkenntnismittel ist der Versuch, wie er - ohne Berücksichtigung des besonderen Untersuchungsgegenstandes, des lebendigen Menschen - scheinbar naiv und wirklich sklavisch der klassischen Physik nachempfunden wurde.


 

Tier- und Menschenhaltung

 

Käfig und Versuch zeigen deutlich, worum es in der psychologischen Theorie geht: um die Steuerung des Verhaltens vieler im Interesse weniger Menschen.

 

Die Grundaussage der Psychologie ist schrecklich banal. Bei einem Lebewesen erfolgt auf einen bestimmten Reiz s (=stimulus) eine vorhersagbare Reaktion r (=response). Der Stimulusgeber ist der Käfigwärter und Versuchsleiter, der die response der festgehaltenen, den Anweisungen gehorchenden Objekte erforscht. Rückwirkungen, Wechselwirkungen und sonstige Zusammenhänge sind aus der psychologischen Welt geschafft. Die reine Ursache Reiz s erzeugt die reine Wirkung Reaktion r.

 

Worauf läuft nun das ganze hinaus?

 

Wenn ich die Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens in Versuch und Käfig nach dem Ursache-Wirkungs-Modell untersuche, dann ist Ziel meiner Erkenntnis eine Theorie der Steuerung menschlichen Verhaltens, einer Beeinflussung oder Manipulation von Menschen. Ich kann vorhersagen, welche Reaktion auf meinen Reiz wahrscheinlich erfolgen wird, ich weiß also, welche Reize ich umgekehrt geben muß, um ein gewünschtes Verhalten zu erreichen.

 

Das funktioniert so lange, bis die Ratte im Käfig, bis das Versuchs- und Behandlungsobjekt dem Psycholgen auf die Schliche kommt und der Situation zu entrinnen versucht. Dann muß er sich einen neuen Versuch ausdenken, um auf einer neuen Ebene wieder Herr der Situation zu sein.

 

Die psychologische Theorie und Praxis geht von der stillschweigenden Voraussetzung aus, daß der Psychologe Herr der Situation und der andere ihr unterworfen ist, sie so akzeptieren muß, wie der Psychologe sie definiert. Die psychologische Theorie und die Ergebnisse, die mit ihrer Hilfe gewonnen werden, sind unentbehrlich für die Menschenhaltung. Dafür und für nichts anderes sind sie zu gebrauchen.

 


 

Psychologie und Gesellschaft

 

Es ist unschwer zu sehen, daß die psychologische Forschungsmethode und Theorie mit dem Aufbau der heutigen Gesellschaft bestens in Einklang steht. Die meisten Menschen müssen, um ihr Überleben zu sichern, sich eine lange Zeit ihres Lebens an einem vorgeschriebenen Ort aufhalten und dort nach den Anweisungen anderer Güter oder Dienstleistungen produzieren. Die Orte, an denen sie arbeiten, die Fabriken, und die Orte, an denen sie auf das Arbeiten in fremdem Interesse vorbereitet werden, die Schulen, sehen auch schon wie große Käfige aus. Während Kindern nach Schulschluß noch an ihrer Wildheit anzumerken ist, daß sie sich jetzt freigelassen fühlen, gehen die Erwachsenen meist resigniert, erlahmt und ausgelaugt durch die Fabriktore.

 

Orte, an denen ganz offensichtlich Gewalt über Menschen ausgeübt wird, sind Gefängnisse und Anstalten, die von der übrigen Gesellschaft abgetrennt sind. Sie sind für diejenigen geschaffen, die durch die ausgeklügelten, in den Arbeits- und Lebensablauf eingebauten Reize nicht zu den geforderten Reaktionen veranlaßt werden können. Hier wird der Zwang unmittelbar ausgeübt. Für Militär, Anstalt und Gefängnis gelten brutale, archaische Gesetze. Die Anwendung der direkten Herrschaft durch Befehl und erzwungenen Gehorsam wird moralisch legitimiert, durch Schreckbilder von Schuld und Sühne, Erbsünde, oder auch bis vor kurzem von der kommunistischen Gefahr.

 

Für die anderen Mitglieder der Gesellschaft sind anstelle von Befehl und Gehorsam Reize und Reaktionen getreten. In die Unternehmen und Institutionen sind die Reize eingebaut, die die erwünschten Reaktionen nach sich ziehen. Die Gewalt ist in der Struktur versteckt, sie tritt nur gelegentlich, wenn es denn gar nicht anders geht, nackt auf.

 

So wurden bis vor kurzem Änderungen im Betrieb nicht mehr unbedingt befohlen, sondern in inszenierten scheindemokratischen Diskussionen durchgesetzt. Dabei gaben Psychologen der Firmenleitung die Vorgehensweisen und Sprachregelungen an, die mit größter Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen.

 

In der Rezession sind freilich solche Mätzchen nicht mehr nötig, die Arbeitskräfte können nach dem Grad ihrer Verwertbarkeit und ihres Gehorsams geheuert und gefeuert werden. Immer mehr Menschen werden für die Produktion nicht mehr gebraucht, sind also im Sinne dieses Systems überflüssig. Das humane Geschwätz endet, die Euthanasie-Debatte wird wieder aufgewärmt, Behinderte, Alte, Kranke, Ausländer und Andersdenkende werden nach und nach zum direkten Abschuß freigegeben. Wer sich nicht sputet, den bestraft das Leben, und wer es tut, der gewinnt noch lange keine Sicherheit, nicht dennoch verfolgt zu werden, nur glaubt er's nicht, bis der Fall eintritt.

 


 

Die Psychologie und der Einzelne

 

Der Irrtum, der einzelne Mensch sei der Gegenstand der Psychologie, ist weit verbreitet. Was die Psychologie in den meisten Fällen untersucht, um ihre Schlußfolgerungen zu ziehen, sind Mengen von Menschen. 20, 50 oder mehr Menschen nehmen an einem Versuch teil. Aus ihrem Verhalten werden der Durchschnitt und gerade noch zu duldende Abweichungen errechnet. Auf diese Weise können auch Tests erstellt werden, mit denen die einzelnen Menschen am Durchschnitt gemessen werden.

 

Der Einzelne in der Psychologie ist die immer schon notwendig verunglückte Verwirklichung des nicht existierenden Durchschnittsmenschen. Je mehr Tests auf den Einzelnen angewendet werden, desto sicherer steht fest, daß er von der "Normalität" abweicht.

 

Das wirkt natürlich auf diejenigen, die an die Psychologie glauben und in diesem Glauben leben, ganz verheerend. Der Glaube an die Psychologie schließt den Gläubigen in den Käfig seiner selbst ein, in dem er über seine eigene Unzulänglichkeit sinniert. Er ist auf alle Fälle ungefährlich für das Ganze, da er alle Schuld bei sich sucht.

 

Von daher ist klar, daß der einzelne Mensch hauptsächlich in der Klinischen Psychologie autaucht. Der - oft sogar von sich selbst - ertappte Abweichler soll oder will normiert werden.

 

Vielen ist unerklärlich, warum die Psychologie beispielsweise in der Behandlung Drogenkranker fast völlig versagt. Dabei ist das gar nicht verwunderlich. Wer drogenabhängig ist, hat sehr schmerzhafte, vielleicht unheilbare Abhängigkeiten bereits hinter sich, er durfte nie er selbst sein und floh daher in eine Abhängigkeit, die wenigstens kurzfristige, vorübergehende, illusionäre Aufhebung oder Linderung des Schmerzes und der Ohnmacht bot. Das einzige, was Psychologie ihm zu bieten hat, ist entweder die Rückkehr oder die Unterwerfung unter neue Machthaber, selten Befreiung, Entfaltung des Selbst. Wäre letzteres das Ziel, würde Psychologie schnell kriminalisiert. Denn was sollte diese Gesellschaft mit befreiten Individuen anfangen?

 

Ein anderer großer Bereich, in dem die Psychologie dem einzelnen Menschen begegnet, ist die Auslese mit Hilfe von Tests. In der Testsituation wie in der gesamten Gesellschaft sind die anderen Menschen meine Gegner, Konkurrenten um einen der raren Arbeitsplätze. Der Psychologe ist der Kampfrichter. Von den 100 Anwesenden fallen 20 durch oder auch 80, je nachdem, wieviele gebraucht werden. Der Test ist natürlich wahnsinnig objektiv, hochwissenschaftlich. Nur: ob 80 oder nur 20 gebraucht werden, legt der Arbeitgeber fest. Wer durchfällt, ist dann natürlich auch noch selbst schuld. Er ist für eine bestimmte Tätigkeit unfähig. Vielleicht wäre er bei besserer Konjunktur fähig gewesen. Aber das interessiert jetzt nicht, er ist ein- für allemal festgelegt. So kann die Unfähigkeit dieser Gesellschaft, möglichst vielen ihrer Mitglieder die Möglichkeit eines sinnvollen Broterwerbs zu verschaffen, mit Hilfe der Psychologie als ganz privater Fehler dem Einzelnen aufgeladen werden. Je nach Wirtschaftslage sind einmal mehr und einmal weniger Menschen unglücklich und von ihrer Nutzlosigkeit selbst überzeugt.

 


 

Psychoanalyse

 

Weise und überlegen lächelnd würden Vertreter der Psychoanalyse auf meine bisherigen Ausführungen reagieren. Gegen Widerlegung scheint die psychoanalytische Mythologie bestens gefeit. Das Mysterium zieht die Gläubigen an und stößt die Zweifler aus.

 

Doch die Mythen und Mystifikationen haben meist einen realen Kern, stehen der Analyse offen, auch wenn's die Kirchgänger nicht wahrhaben wollen. So ist es beispielsweise auch beim zentralen Dogma der Psychoanalyse: dem sogenannten Ödipuskomplex. Laios, der König von Theben, ließ seinen Sohn Ödipus aussetzen, er wollte ihn töten. Dieses Verfahren ist heute noch gang und gäbe. Machthaber lassen mögliche Nachfolger nicht hochkommen, schalten sie durch Gewalt und Intrigen aus. Am Ende treten diejenigen die Erbschaft an, die aufgrund ihrer Dummheit von der Verfolgung durch die übermächtige Vaterfigur verschont blieben. Beim Versuch, dem Tod durch Verlängerung seiner Herrschaft zu entgehen, fällt der Patriarch ihm oft ironischerweise umso sicherer anheim. Nichtsdestoweniger machen die Väter immer wieder den sinnlosen Versuch, durch die (meist im übertragenen Sinne geschehende) Tötung der Söhne sich zu verewigen, ihrem eigenen Tod zu entgehen. So steht in dieser Kultur der Tod, mit aller Gewalt verleugnet, am Anfang und in der Mitte eines jeden Lebens.

 

Der Ödipus-Komplex ist das Negativ des Laios-Komplexes. Die Omnipotenz-Phantasien des Vaters werden ermöglicht durch die Unterwerfung des Sohnes, die - wie in allen anderen Religionen und Ideologien auch - durch das "liebevolle" Einpflanzen und Hegen von Schuldgefühlen bewerkstelligt wird. Je kleiner die Söhne, desto größer die Väter. (Letzte Station: "Du bist nichts, dein Volk ist alles.") Die unheilige Hierarchie ist gerettet, es ist alles wieder an seinem Platz, oben und unten.

 

Im psychoanalytischen Schichtenmodell der Person spiegelt sich die gewalttätige gesellschaftliche Struktur: vom dunklen, bösen Es, dem Bereich der Natur im Menschen (gedacht als schiere Negativität und am Ende völlige Formbarkeit), der Triebe, der Sinnlichkeit, geht es hinauf über das Ich, den grausam-lächerlichen Kontrolleur oder hilflosen Manager, zum Herrscher über das Ganze, zum Über-Ich, in das als Gewissen die Anforderungen der Gesellschaft an die Einzelnen inkorporiert werden. Die Triebe werden nicht anerkannt, Möglichkeiten ihrer Befriedigung werden versagt. Sie werden statt dessen "sublimiert", vergeistigt, umgebogen, verkrüppelt vermittels des Terrors der trotz gegenteiliger Behauptungen immer noch christlich-patriarchalen Moralität. Das "Geistige", das es unabhängig vom Körper nicht gibt, herrscht über das "rein" Körperliche (wie man so unschön und gerinschätzig zu sagen pflegt). Die Herrschaft über seine (innere) Natur übt der Mensch aus vermittels seines "vernünftigen" Ichs, dieses individuellen Gesamt-Terroristen. Und wie der "Geist" über den Körper, so herrschen die Menschen über die Natur, bekämpfen sie, wo sie können, wollen sie sich unterwerfen. Doch sie wehrt sich, recht erfolgreich, und ein Ende der unmenschlichen Herrschaft der Menschen ist abzusehen im möglichen, eher aber schon wahrscheinlichen Untergang ihrer eigenen Art.

 

Die dem entsprechende Tendenz zur Desintegration der Gesellschaft, der die Herrschenden nur durch weiteres Drehen an der Schraube der Gewalt begegnen können, weil nichts anderes in ihrem Kopf ist als der hochgeistig verbrämte, bewußtlose, triebhafte Gedanke an Macht, Kontrolle und Unterdrückung, die in jeden durch die Aufzwingung von irgendwelchen "höheren", selbstverständlich über den (einzelnen) Menschen stehenden Werten bei ständig steigenden individuellen und gesellschaftlichen Kosten implantiert werden - diese Tendenz zur Desintegration setzt in den Einzelnen sich durch, die unter dem ungeheuren Druck als Personen (und das heißt in dieser "Kultur":) als allseitig verwendbare Funktionäre ohne Individualität und dynamisch-willenlose Agenten der Gesellschaft sich auflösen.

 

Die schlimmste Ironie aber ist es, wenn die Heilslehre der Psychoanalyse, die die Unterjochung und den tödlichen Gehorsam der Einzelnen, ihre Krankheit, möglich macht, in ihnen festschreibt und heiligt, den Patienten (die Psychoanalyse Erleidenden) auch noch die Illusion einer Heilung vermittelt, hierin dem Christentum gleich, dessen Anhänger viele Psychoanalytiker inzwischen ganz folgerichtig wieder geworden sind.

Stacheldraht, ziemlich neu