Die Reichen wollen alles, und zwar sofort!

Viele Arten zu töten

Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Selbstmord treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staate verboten.

Bertolt Brecht

"Aus aller Welt"

Emder Zeitung, 7.1.2004 - "Aus aller Welt", S. 21

"Eating or heating?", essen oder heizen?, das ist die Frage, vor der im Winter viele Rentner in England stehen. Direkt gesagt: lieber langsam verhungern oder gleich erfrieren?

In den sogenannten "Reformländern" der früheren Sowjetunion ist seit Einführung der Marktwitschaft die Lebenserwartung der Männer um 10 Jahre gesunken. Die Zustände in den Krankenhäusern sind katastrophal. Eine halbe Million Frauen aus dem ehemaligen Ostblock arbeiten als Prostituierte in westeuropäischen Puffs, teils vom Hunger getrieben, teils voll versklavt.

Aber die Rendite des westeuropäischen Kapitals stimmt. Alles ist auf dem besten Weg, verkündet die Medien-Propaganda.

In den Ländern der sogenannten Dritten Welt sieht die heilige Dreifaltigkeit aus Welthandelsorganisation, Weltbank und internationalem Währungsfonds nach dem Rechten. Kann ein Land seine Schulden nicht mehr bezahlen, wird ihm ein "Struktur-Anpassungs-Programm" verordnet, das die sozialen Strukturen zerschlägt. Die Preise für Nahrungsmittel werden drastisch erhöht, die Ausgaben für Gesundheit und Bildung drastisch gesenkt. Die Zahl der Toten, die sich daraus ergeben, könnte eigentlich gleich mit ermittelt werden.

Das Problem ist nicht das Verhungern oder das elendige Verrecken von Menschen, sondern das Ausbleiben der Zinsen für die westlichen Geldgeber. Der Tod der Menschen ist die Lösung des Problems der sinkenden oder ausfallenden Rendite.

Die Raubzüge der Reichen konzentrierten sich lange Zeit im wesentlichen auf Länder, fernab von uns. Aber das ist vorbei.

Die Manager streichen die Betriebsrenten der "Mitarbeiter" und lassen ihre eigenen unangetastet. Die Politiker kürzen die Renten, zocken die Kranken ab und freuen sich über ihre fetten Diäten. Der "Elite" geht es um so besser, je dreckiger es dem Rest geht. Die Menschen sind die schönste Nebensache der Welt: an ihnen kann man sich bereichern. Den "Überflüssigen", den Arbeitslosen, an denen nichts mehr zu verdienen ist, wird der Brotkorb ganz hoch gehängt. Zum Schaden bekommen sie noch den Spott, indem sie selbst für ihre Lage verantwortlich gemacht werden, und nicht die Unternehmer, die sie scharenweise entlassen. Der kleine Herr Schröder trat unter dem Motto "Es gibt kein Recht auf Faulheit" erst einmal eine Lawine der Gehässigkeit gegen die Arbeitslosen los.

Die letzte Steuer-"Reform" aus dem SPD-Finanzministerium stammt von einem Staatssekretär, der früher Bayer-Manager war. Die Großunternehmen und Großunternehmer wurden jährlich um einen zweistelligen Milliarden-Betrag entlastet. Viele Firmen zahlen überhaupt keine Steuern mehr. Sie bekommen sogar Geld "zurück". Der daher steigenden Staatsverschuldung mußte abgeholfen werden. Deshalb die Agenda 2010. Natürlich konnte man den Reichen das Geld nicht einfach so wieder wegnehmen. Es mußte selbstverständlich von anderswoher kommen.

Und da in der Republik der heutigen SPD die Gesetze gleich von den Managern gemacht werden, beauftragte Herr Schröder Herrn Hartz von VW mit der "fürsorglichen Belagerung" (unfeiner ausgedrückt: dem Mobbing) der Arbeitslosen. Die Wohlfahrtsverbände haben bereits errechnet, daß der "Erfolg" der Agenda 2010 sein wird, daß es doppelt so viele Arme in Deutschland gibt. Doppelt so viel Armut heißt: Vervielfältigung von Vernachlässigung von Kindern, Vervielfältigung von Krankheit und Gewalt in den betroffenen Familien, daraus folgend: erhöhte Sterberate. Aus der Medizin-Soziologie ist bekannt, daß ein Reicher heute 10 Jahre länger lebt als ein Armer. Durch die "Gesundheits-Reform" und die Hartz-Gesetze könnte man vielleicht so einige Arme noch schneller loswerden.

Die Gewalt und die Gehässigkeit in dieser Gesellschaft werden von oben, von den Besitzenden angefacht, von den Politikern und den Propaganda-Medien vieltausendfach verbreitet. Letztere haben sich schon eigene Gesetzgebungsrechte gesichert. Die neuerliche Verschärfung der Gesetze gegen Sozialhilfe-Empfänger im Ausland hat die Bild-Zeitung auf den Weg gebracht.

Die "Sozial"-Demokraten sagen, die Entscheidung für die Agenda 2010 sei eine reine Sach- und keine Gewissens-Entscheidung. Die Frage, ob Armut und Elend vervielfältigt werden oder nicht, ist für die SPD keine Gewissensentscheidung. Die Diva im Kanzleramt hat auch schon mal wieder vorsorglich mit ihrem Rücktritt gedroht. Die Partei-Oberen drohen den Abweichlern, sie würden für die nächste Bundestagswahl nicht mehr aufgestellt. Das kann einen denkenden Menschen nicht schrecken. Wenn die Bundes-SPD die Prozentzahlen aus den bayerischen Landtagswahlen erreicht, werden nur wenige der heutigen SPD-Abgeordneten dem Parlament angehören. Egal, wie sie gestimmt haben. Der dumme Spruch vom "kleineren Übel" ist endgültig verbraucht. Die Wahl, die wir haben, ist die zwischen Pest und Cholera. Wir befinden uns schon längst auf dem Weg in die asoziale Marktwirtschaft.

Ach ja, was ich vergessen habe: in einem halben Jahr kommt ja der Aufschwung.

Und wenn er dann doch wieder nicht kommt, sind die "Reformen" eben nicht weit genug gegangen.

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