Neues Elend zum Tag der Armut

Reform, Reform! Ein innovativer Modernisierer packt mutig und gerecht längst überfällige Reformen an, zu denen es keine Alternativen gibt außer seinem Rücktritt. Und was geschieht? Liegt man ihm dankbar zu Füßen? Nein, er wird von den Besitzstandswahrern, allen voran von der allmächtigen Gewerkschafts-Lobby gnadenlos gehetzt.

Habt Ihr Radio und Fernsehen an, lest die Zeitung? Wunderbar, dann kann's ja losgehen. Willkommen zur täglichen Gehirnwäsche!

Am 17. Oktober 2003 haben die (von wem?) Abgeordneten im Deutschen Bundestag die Gesetze des VW-Managers Hartz abgenickt. Im Finanzministerium arbeiten regelmäßig die Vertreter von Wirtschaftsverbänden an der Erarbeitung von Gesetzen „mit“, die sie selbst betreffen. Unsere Gesetze werden von Mangern und Unternehmensvertretern gemacht. Der Kanzler hat die Hartz-Gesetze als wichtigen Bestandteil seiner Agenda 2010 bezeichnet, deren Ziel die weitere Absenkung des Einkommens weiter Bevölkerungsteile ist. Die Wohlfahrtsverbände sagen eine Verdoppelung der Zahl der Armen als Folge voraus.

Der SPD-Kanzler hat ein ausgeprägtes Gespür für Häme und Hohn. Soll eine Bevölkerunggruppe ausgegrenzt und in ihren Rechten legal beschnitten werden, wird zuerst eine Kampagne der Gehässigkeit gegen sie eröffnet. „Es gibt kein Recht auf Faulheit“, hieß es vor der Absenkung der Arbeislosen- auf die Sozialhilfe. Die Unternehmer, die Politiker und die Journaille bliesen sofort ins gleiche Horn. Die Jagd war eröffnet. Am 17.10., dem Tag der Armut, waren die Langzeit-Arbeitslosen erlegt. Ab Juli nächsten Jahres warten auf sie Armut und Elend. Ein schönes Ergebnis zum Tag der Armut. Der Gedenk-Tag war deshalb in unseren Medien kaum wahrzunehmen. Dabei sollte doch nur an die Armen in den Entwicklungs-Ländern und nicht an unsere eigenen Armen erinnert werden.

Auch an andere Meldungen ist schwer heranzukommen. Nach Verabschiedung der Gesundheits-“Reform“ gab der Sozialverband Deutschland eine Presse-Erklärung heraus. Er verwies darauf, daß die große Gefahr besteht, daß an dieser Gesundheits-“Reform“ arme Menschen in Altenheimen sterben. Denn auch sie müssen die Kosten für Taxi-Fahrten zum Arzt und das Eintrittsgeld von ihrem geringen Taschengeld selbst bezahlen. Sie werden sich zu viel Gesundheit nicht leisten können. Die Meldung war mittags unter tagesschau.de zu lesen, schaffte es aber nicht bis in die 20Uhr-Nachrichten.

Die Gesetzgebung läuft in der Bundesrepublik nach folgendem Schema ab: Die Vertreter von Unternehmern und Arbeitgebern jammern über ihre entsetzlich große Belastung. Sie fordern irgendeine Verschlechterung für den Großteil der Bevölkerung. Sofort finden sich Politiker aller Parteien zum Nachplappern. Die ganz Schlauen setzen noch einen oben drauf. Die „unabhängigen“ Journalisten berichten, kommentieren in die gleiche Richtung, fordern die Politiker zu den längst überfälligen Reformen auf. Sie prangern Sozial-Schmarotzer an. Sie begleiten „Sozial-Detektive“ bei ihrer harten Schnüffelarbeit. (Die Wirtschafts-Kriminalität mit Schäden in zweistelliger Milliarden-Höhe findet dagegen kaum Beachtung. Die Zahl der Fahnder bei den Finanzbehörden wird nicht erhöht, eher verringert.)

Der Kanzler setzt eine Kommission ein, die mehrheitlich mit Unternehmer-Freunden besetzt ist. Die erarbeitet eine neue „Reform“ zugunsten der Wohlhabenden. Ein paar Linke in der SPD und bei den Grünen empören sich. Der Kanzler droht mit Rücktritt. Die „Linken“ bleiben „hart“. Es werden einige kosmetische Änderungen am Gesetz durchgeführt. Dann nicken es alle ab. Alle haben ihr Gesicht gewahrt, oder das, was sie dafür noch halten.

Viele Menschen gehen nicht mehr zur Wahl, weil es ihnen egal ist, welche Partei die Forderungen der Unternehmer mit deren tatkräftiger Hilfe in Gesetze faßt und mit ihrer Mehrheit verabschiedet.

Das Unbegreiflichste an allem aber ist, daß immer noch 27% der Menschen in einer Umfrage die Schröder-Demokraten für eine soziale Partei hielten.

Die Gesetze des VW-Managers Hartz beinhalten ein groß angelegtes Programm für den sozialen Abstieg von Millionen Menschen. Sogenannte Job-Center werden Verarmung und Verelendung der Langzeit-Arbeitslosen und ihrer Familien bürokratisch exekutieren. Von Lebensqualität kann dann für einen Großteil der Bevölkerung keine Rede mehr sein. Die Betroffenen werden täglich ums Überleben kämpfen müssen, gedemütigt und entwürdigt.

Welch eine Schande für dieses reiche Land! Aber damit die Reichen immer reicher werden können, müssen die Armen immer ärmer werden. Das ist die Logik der Zerstörung, die unser Leben beherrscht.

Die SPD hat den letzten sozialen Schein abgestreift. Sie hat ihren Charakter grundlegend und endgültig verändert. Auch die Bundesrepublik wird bald nicht mehr wiederzuerkennen sein.

Mögen die Abgeordneten, die den Gesetzen des VW-Bosses und seines Genossen zugestimmt haben, das vor ihrem Gewissen verantworten! Möge die SPD ihren Sturzflug bis zum Aufprall fortsetzen! Zu ihrem Niedergang gibt es keine Alternative. Von ihr ist nichts mehr zu erwarten. Sie hat sich die politische Bedeutungslosigkeit redlich verdient. Sie hat hart daran gearbeitet, von einem Rücktritt des Kanzlers bis zum nächsten, vom Angriffskrieg bis zum blindwütigen sozialen Rundumschlag.

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